Seit Anfang 2024 zahlen zahlreiche Fertigbau-Unternehmen in Deutschland deutlich höhere Beiträge zur Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau). Drei betroffene Betriebe zogen vor das Sozialgericht Freiburg und erhielten nun Recht. Das Gericht entschied, dass die BG Bau Fertigbauunternehmen nicht pauschal in einen teureren Gefahrentarif einordnen durfte. Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen für die gesamte Branche haben.

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Streit zwischen BG Bau und Fertigbauunternehmen

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Änderung der Gefahrtarife, die die Berufsgenossenschaft im Jahr 2024 vorgenommen hatte. Sie begründete die Neueinstufung damit, dass sich die Tätigkeiten in Fertigbauunternehmen zunehmend den klassischen Hochbauarbeiten oder Zimmereien angenähert hätten. Die BG Bau erklärte, die Betriebe müssten solidarisch die Kosten tragen und sprach von rund 400 neu betroffenen Unternehmen.

Nach Angaben des Verbandes Deutscher Fertigbau (BDF) konnte diese Änderung Mehrkosten von etwa 1.000 Euro pro Mitarbeiter und Jahr verursachen. Für mittelgroße Betriebe mit 100 Beschäftigten bedeutete das zusätzliche Ausgaben in sechsstelliger Höhe. Der Verband warnte vor steigenden Baukosten und möglichen Arbeitsplatzverlusten. Insgesamt haben sich 70 Unternehmen bundesweit gegen die neue Regelung zusammengeschlossen.

Holzhaus Bonndorf aus dem Schwarzwald klagt erfolgreich

Zu den Klägern gehörte das Familienunternehmen Holzhaus Bonndorf aus dem Südschwarzwald. Geschäftsführer Florian Hegar beschäftigt dort rund 100 Mitarbeiter, von denen 80 direkt von der Neueinstufung betroffen waren. Nach der Tarifänderung musste der Betrieb mehr als 200.000 Euro an die BG Bau zahlen – fast doppelt so viel wie zuvor.

Hegar argumentierte, seine Firma investiere bereits stark in Arbeitsschutzmaßnahmen. Die pauschale Gleichstellung mit riskanteren Gewerken wie Dachdeckern oder Zimmereien sei sachlich falsch. Die Arbeitsbedingungen in geschlossenen Produktionshallen seien nicht mit denen auf offenen Baustellen vergleichbar.

Der Betrieb ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF) und im Deutschen Holzfertigbau-Verband (DHV). Beide Verbände gründeten gemeinsam die Interessengemeinschaft industrieller Gebäudehersteller aus Holz (IGAH), die sich für die Rückkehr zum alten Gefahrentarif einsetzt.

Frühere Verfahren und rechtliche Einschätzungen

Das Urteil aus Freiburg steht nicht allein. Bereits das Sozialgericht Würzburg hatte die neue Einstufung der BG Bau als rechtswidrig bewertet. Zudem läuft ein weiteres Verfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen.

Ein Gutachten der Juristin Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf aus dem Jahr 2023, erstellt im Auftrag des BDF, kam zu dem Schluss, dass die Neuregelung mehrfach unzulässig sei. Darin wird aufgeführt, dass die Tätigkeitsprofile der Fertigbauunternehmen deutlich von jenen klassischer Baugewerke abweichen. Die rechtliche Grundlage für eine einheitliche Gefahrtarifstelle sei daher unzureichend.

Bedeutung des Freiburger Urteils

Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg gilt als Signal für die gesamte Fertigbau-Branche. Es betrifft zwar nur drei Unternehmen, könnte aber zukünftige Entscheidungen anderer Gerichte maßgeblich beeinflussen.

Die BG Bau hat die Möglichkeit, Berufung einzulegen. In diesem Fall würde der Streit vor dem Landessozialgericht fortgesetzt. Bis zu einer endgültigen Entscheidung müssen die klagenden Betriebe weiterhin den erhöhten Tarif zahlen. Sollte das Urteil jedoch bestätigt werden, wäre die Berufsgenossenschaft verpflichtet, entweder einen speziellen Gefahrentarif für Fertigbauer einzuführen oder die alte Tarifordnung wiederherzustellen.

Das Verfahren könnte damit zu einem Wendepunkt für hunderte deutsche Fertigbauunternehmen werden, die seit 2024 von höheren Beiträgen betroffen sind.

Wichtige Fakten im Überblick

  1. Seit 2024 gilt ein neuer Gefahrentarif der BG Bau für Fertigbauer.
  2. Drei Unternehmen klagten erfolgreich vor dem Sozialgericht Freiburg.
  3. Die Mehrkosten pro Mitarbeiter betrugen rund 1.000 Euro jährlich.
  4. Rund 70 Firmen schlossen sich bundesweit zur Gegeninitiative zusammen.
  5. Weitere Verfahren laufen in Würzburg und Reutlingen.
  6. Ein Gutachten von Prof. Brosius-Gersdorf bewertet die Neueinstufung als unzulässig.
  7. Eine Berufung der BG Bau ist möglich, endgültige Entscheidungen stehen noch aus.

Das Urteil von Freiburg hat damit nicht nur finanzielle, sondern auch strukturelle Bedeutung für die gesamte Fertigbauindustrie in Deutschland.

Quelle: SWR